Ich wollte einen Artikel schreiben über unsere sieben Hennen und unseren Hahn im Garten am Stadtrand von Hamburg schreiben. Einen Artikel darüber, was sie mir und dir über den Konsum von Eiern und Geflügelfleisch beibringen können. Über das Kükentöten und darüber, wie unsere Masthähnchenabfälle die Wirtschaft in Entwicklungsländern kaputt machen. Einen Artikel über Bio- und Brüderhähne, über Zweinutzungsrassen und landwirtschaftliche Kreisläufe. Und ich schreibe diesen Artikel auch immer noch, nur ist er so viel weniger schwarz-weiß als ich ihn mir vorgestellt hatte. Denn in der Vorbereitung stellte ich mir viele Fragen, las einige Artikel und tauschte mich mit Landwirten, ja sogar einer Geflügellandwirtin, die Agrarwirtschaft studiert hatte, aus. Und je mehr Fragen ich stellte, desto breiter wurde meine Meinung und mehr Fragen zu stellen, hinterließ mich mit mehr Antworten, die mich noch mehr Fragen stellen lassen. Und die teile ich nun in diesem Artikel.

Mein Artikel beginnt mit den zehn kleinen, flauschigen gelben Küken, die wir im letzten Frühjahr für 5€ pro Stück gekauft haben. Sie waren im Brüter einer Geflügelzüchterin geschlüpft und eroberten nun unsere Herzen. Welches Kind möchte nicht einmal zehn flauschige, piepsige Küken als Haustier haben? Und welcher Mama geht dabei nicht das Herz auf?

An dieser Stelle wollte ich mit stolzer Brust darüber schreiben, wie 50% dieser Küken zu diesen Zeitpunkt bereits tot gewesen wären. Denn wenn Legehennen schlüpfen, schlüpfen aus 50% der Eier eben Hähne. Hähne die naturgemäß eben keine Eier legen und auf Grund der Zucht, die auf Eier legen und nicht Fleisch ansetzten angelegt ist, auch nicht zum Verzehr geeignet sind. Ich wollte schreiben, dass diese Hähne bei uns aufwachsen, glücklich und friedlich im grünen Garten und wie gut sie es haben – bis an den Tag an dem sie geschlachtet werden. Sechs Monate später. Denn eine harmonische Hühnergruppe braucht nur einen Hahn für sieben Hennen. Und für eine harmonische Nachbarschaft sind mehr Hähne als einer auch nicht förderlich. Es gab bei uns also Brathähnchen. Und meine Kinder fanden es super spannend die einzelnen Körperteile auf ihren Tellern zu entdecken. So spannend, dass mir der Appetit verging bei all der naturnahen Erziehung am Esstisch. Ich sah Krähgor plötzlich wieder im Garten scharren. Ist also Schlachten nach sechs Monaten wirklich so viel ethischer als nach sechs Tagen, fragte ich mich? Finden wir es vielleicht hauptsächlich so schlimm, weil die Küken flauschiger sind als die ausgewachsenen Hähne? Und wer würde so ein mageres Hähnchen wie das auf meinem Teller wirklich im Supermarkt kaufen? Dazu kommt, dass so ein Tier 8kg Futter frisst um dann 1kg Fleisch zu produzieren. Und das ist nicht nur unwirtschaftlich, es ist auch bezogen auf die Umwelt eher schädlich als nützlich.

Seit 2022 ist das Kükentöten in Deutschland verboten. Man darf die Küken jetzt bereits im Ei töten – inkl. Schmerzempfinden. Diese toten „Eier“ lassen sich aber nicht, wie die toten Küken zuvor als Tierfutter nutzen. Und so züchten Wildparks und Co. nun eigene Mäusefarmen um ihre Raubvögel zu füttern. „Und Mama, ist das hier der Flügel oder das Bein gewesen?“ fragt meine Tochter während sie mir einen gut gewürzten Hühnerschenkel vor die Nase baumeln lässt. „Das Bein“ antworte ich und stecke mir die Kartoffel, die plötzlich auch nur mit dem Gemüse total lecker ist, in den Mund und bin froh heute wenigstens eine Frage klar beantworten zu können und etwas aus diesem Erlebnis des Schlachtens der eigenen Hähne gelernt zu haben.

„Und wann legen Hennen eigentlich Eier?“ fragen mich immer wieder Stadtbewohner, die es in unseren Garten verschlägt und die sich plötzlich mit beiden Füssen in Chickago ganz neue Fragen stellen. Sie fragen sich, ob es ähnlich wie für die Milch bei Kühen eine Geburt bräuchte oder einen Hahn damit die Henne ihr Frühstücksei produziert. Nein, eine Henne legt einfach ein Ei. 200 bis 300 Tage in Jahr – je nach Rasse. Erleichtert atmen dann alle Vegetarier auf, dass augenscheinlich kein Tier für ihren Eierkonsum sterben musste. Nach neun Monaten Futterinhalation legten auch unsere Junghennen ihre ersten Eier. Da hatten die ersten Eier dann einen Wert von ca. 30€ pro Stück, wenn man das Ganze mal wirtschaftlich betrachtet. Und sie waren unbezahlbar lecker. Dennoch gibt es am Frühstückstisch der Familie Keshtkaran unterschiedliche Vorlieben beim Eierkonsum. Der eine mag es weich, die andere hart und meistens mögen die Kinder nur eins, entweder das weiße oder gelbe. Doch seitdem sie sehen, welche Zeit und Arbeit in diese Eier geflossen ist, müssen wir ihnen nichts von armen Kindern in Afrika erzählen, sondern können sie einfach daran erinnern wo diese Eier herkommen. Und schon leuchtet es ein, das diese Lebensmittel zu wertvoll zum Verschwenden sind.

Die Vegetarier haben es sich mittlerweile erleichtert mit ein paar Mehlwürmern („Sind das eigentlich Lebewesen, die wir hier verfüttern?“) und Salatblättern in der Hand in Chickago gemütlich gemacht, als sie sich fragen, wie alt denn Hühner eigentlich werden. Die Lebenserwartung liegt bei 5 – 9 Jahren. Die Legeleistung nimmt jedoch nach mindestens zwei Jahren stark ab und so erklärt ein Landwirt das Leben der Hühner an diesem Zeitpunkt meist für beendet. Diese Hühner kauft man als Suppenhuhn. Man sagt ihnen nach, dass sie auf Grund ihres „hohen“ Alters besondere Enzyme freisetzten und deshalb besonders gut bei Erkältungen helfen. Die Agrarwirtschalftlerin Friederike Schierholz sagt dazu: „Es wäre einfach toll, wenn alle, die Eier konsumieren auch einmal im Jahr ein Suppenhuhn essen. Das gehört einfach zusammen.“ Da fallen den Vegetariern im Hühnergehege die Kinnlatten runter und die Mehlwürmer aus der Hand, doch „Wo sie recht hat hat sie recht“ denke ich, als meine Mutter um die Ecke biegt um sich zu erkundigen, ob sie etwas Hühnerkot haben könnte. Und schon sehe ich die nächsten fragenden Gesichter. Tatsächlich produzieren Hühner nicht nur die nützlichen Produkte Eier und Fleisch, sondern auch Kot. Den braucht meine Mutter nämlich für ihr Gemüsebeet und der Landwirt für seine Felder. Und alle Veganer, die in diesem Artikel bisher zu dem Schluss gekommen waren, dass sie wieder einmal in ihrer einzig richtigen Ernährungsweise bestätigt wurden, müssen sich nun mit dem Gedanken auseinander setzten, dass biologische Landwirtschaft ohne Tiere nicht möglich ist. Die Böden brauchen den Kot der Tiere. Es ist ein Kreislauf. Ein viel komplexerer als ich bisher für möglich gehalten habe, viel zu komplex für mich als Hobby-Hühnerhalterin und viel zu komplex für diesen Artikel. „Mama, wie heißt nochmal dieses helle Huhn?“ ruft mein Sohn „Federike oder Kornelia?“ „Federike ist die mit dem helleren Kopf“ rufe ich zurück während ich mal wieder froh bin eine klare Antwort auf eine mir gestellte Hühnerfrage zu haben und beobachte, wie mein Sohn durch immer wieder erneutes „Hochwerfen“ derselbigen versucht herauszufinden weshalb ein Tier mit zwei kräftigen Flügeln nicht fliegen kann. Und da ist sie schon die nächste schwierige Frage.

Doch ich kenne die Antwort auf die Frage nach dem am günstigsten zu produzierenden Fleisch: Hähnchen. Die Masthähnchen wachsen sechs Wochen in einem Maststall heran bis sie schlachtreif sind. Da kann kein anderes Tier mithalten. Und ja, hierbei können sich wirklich alle Vegetarier und Vaganer:innen die Hände in Unschuld waschen, denn die Hühner die Eier legen und diejenigen die Fleisch produzieren, das sind zwei ganz getrennte Vorgänge. Am Liebsten essen die Deutschen ja die Brust. Eigentlich fast ausschliesslich. Und deshalb wird der Rest, der hier sonst als Abfall viel aufwändiger zu entsorgen wäre, spottgünstig exportiert. In China isst man nämlich die Beine und in Ghana die Flügel. Mittlerweile wird das allerdings nicht mehr von der EU subventioniert und so ist es nicht mehr ganz so verwerflich wie vor einigen Jahren. Man kann sich in diesem Modell darüber freuen, dass alle Teile des Tiers verwertet werden und Menschen in wirtschaftlich schwächeren Ländern günstig an zartes Fleisch kommen. Man kann sich aber auch fragen, was für eine Einstellung und Weltbild dahinter steckt, wenn man anderen Menschen seine Abfälle verkauft. Man kann sich darüber aufregen, dass diese für uns unbrauchbaren Fleischreste mit CO2 schädlichen Flugzeugen durch die Welt geflogen werden und man kann sich damit auseinandersetzten, dass ein wenig naturnaher und artgerechter Mastbetrieb eine so viel bessere CO2-Bilanz hat als die vielen, grünen Biohöfe auf denen glückliche Hühner scharren, dass selbst inklusive Flugtransport diese Geflügelfleischproduktion umweltfreundlicher sein könnte. Und je tiefer man in dieses Thema einsteigt, desto mehr Menschen fallen hier in Chickago zwischen Hennelore, Johenna, Brütney und Hennriette die Mehlwürmer aus den Händen. Und innerlich lasse ich immer mehr Steine fallen, die ich in meiner schwarz-weißen Welt gerade noch werfen wollte als ich die Hühnerhaltung noch in „falsch und richtig“ kategorisieren konnte und mich aufgrund dessen für unschuldig hielt.

Dann sehe ich sie mir an meine Henne, wie sie mit zackigen Kopfbewegungen Salatblätter picken, wie sie sich friedlich in der Sonne im Sand baden, wie sie auf mich zulaufen sobald sie mich sehen und wie sie alle ihrem Hahn Machmut hinterherlaufen sobald er einen Wurm gefunden hat. Meine Kinder, wie sie die Hennen streicheln und mit ihnen sprechen, wie sie ihren Freunden Eier schenken. Ja, das ist ein glückliches Zusammenleben von Mensch und Tier. So wie wir gerade Hühner halten ist es optimal. Die Fläche, die sie nutzen gehört sowieso uns. Bei uns leben sie länger als anderswo, sie leben naturnah und artgerecht. Sie haben kein teures Bio-Siegel und keine langen Schlachtwege. Sie fressen neben Körnerfutter auch unsere Essensreste und werden nicht nur gefüttert, sondern auch gestreichelt. Wir leben nah genug mit Ihnen, dass sie für uns wertvoller werden und wir weniger verschwenderisch mit unseren Geflügelprodukten umgehen. Ich habe schon oft Geflügelwiener von Aldi weggeworfen, wenn sie abgelaufen waren. Das Fleisch meiner eigenen Hühner, würde mir niemals ablaufen. Es ist mir wertvoll und wichtig, es hat ein Gesicht, ein Geräusch, ein Leben.

Doch „so wie wir es machen“ ist ein Privileg und eine persönliche Entscheidung. Nicht jeder Mensch muss tierlieb sein und als angehender Selbstversorger Karriere machen wollen. Und die wenigsten Menschen haben einen großen Garten oder ausreichend Zeit für so ein Projekt. Und wirtschaftlich ist diese Haltung auf keinen Fall. Sie ist Freude und ein Privileg. Und dann ist da die Mama von zwei Kleinkindern, die ein knapp bemessenes Wochenbudget zur Verfügung hat, nicht nur monetär, sondern auch zeitlich da sie neben der Care-Arbeit für ihre Kinder zusätzlich 30 Stunden die Woche arbeitet, damit es reicht zum wohnen und leben und essen. Wer bin ich, dass ich ihr sage dass sie einen Fehler macht, wenn sie nach den billigsten Geflügelwienern im Supermarkt greift. Ich weiß, sie gibt ihr Bestes. Ich weiß, sie hat nicht die Wahl, die ich habe. Ich weiß es, weil ich diese Mama vor fünf Jahren war. Und ich weiß, dass mein Bestes heute so viel lobenswerter aussieht und trotzdem nicht mehr wert ist.

Thorsten Dietz schrieb in einem Artikel in einer der letzten Ausgaben des AndersLeben Magazins: „Wir brauche mehr als Angst (um den Planten), wir brauchen Liebe für die Schöpfung.“ Und zwischen all meinen Erlebnissen von flauschigen Küken in unseren Händen, über je nach Vorliebe gekochte Frühstückseier bis hin zu den eigenen Hähnen auf dem Teller, zwischen all den Fragen und den wenigen Antworten möchte ich hinzufügen: Wir brauchen mehr als Pflichtgefühl und Besserwisserei, wir brauchen Liebe für die Schöpfung. Und die Schöpfung, das sind auch Produzent:innen und Konsument:innen, Vegetarier und Vaganerinnen, Selbstversorger und Verpackungsopfer. Mögen wir häufiger in den Genuss kommen Mehlwürmer zu verfüttern und uns beim Bestaunen der Schöpfung neuen Fragen zu stellen. Und mögen wir immer mehr Kinnladen und Steine fallen lassen.

Diesen Artikel habe ich vor zwei Jahren für die Zeitschrift AndersLeben geschrieben und freue mich, dass er nun auch hier auf dem Blog einen Platz bekommen hat. Ich habe beim Schreiben selber viel gelernt und hoffe, dich auch beim Lesen inspiriert zu haben.

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Das Foto ist von Anna Frey

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